Ist die PDS eine demokratische Partei?

Jürgen P. Lang

Ist die PDS eine demokratische Partei?
Eine extremismus-
theoretische
Untersuchung

Nomos-Verlag
Baden-Baden 2003
29,00 Euro
ISBN 3-8329-0414-X


 

 

 

Steffen Schoon: PDS und Extremismus

Deutschland Archiv 6/2004, S. 1110-1112

[Rezension zusammen mit Viola Neu: Das Janusgesicht der PDS. Wähler und Partei zwischen Demokratie und Extremismus, Baden-Baden 2004.]

 Keine Partei war in den 1990er Jahren wohl so oft Gegenstand politikwissenschftlicher Untersuchungen wie die PDS. In der Frage ihrer Charakterisierung und des daraus resultierenden Umgangs mit der Partei gingen die Meinungen und Deutungen schon frühzeitig auseinander. Jürgen P. Lang und Viola Neu gerhörten dabei zum Lager derjenigen, die äußerst skeptisch auf den demokratischen Wandlungsprozess der PDS blickten. Die Autoren sind auch in ihren Chemnitzer Dissertationen dieser Forschungslinie treu geblieben. Im Zentrum beider Arbeiten steht daher - bei unterschiedlicher Gewichtung - die Frage, inwieweit die PDS als “normale” demokratische Partei angesehen werden kann oder ob sie als eine (links-)extremistische Organisation zu charakterisieren ist, die in grundsätzlicher Gegnerschaft zum demokratischen Verfassungsstaat steht.

Lang betritt bei der Beantwortung dieser Frage untersuchungs- technisches Neuland und bietet in seiner Studie erstmalig ein in sich stabiles Argumentationsgerüst. Er baut seine Analyse entlang klar definierter Kriterien auf und kommt dann zu einer Bewertung.

Der theoretische Bezugsrahmen basiert auf der Extremismustheorie von Uwe Backes und Eckhard Jesse. Danach gelten Parteien und andere politische Akteure als extremistisch, wenn sie den demokratischen Verfassungsstaat und dessen fundamentale Werte ablehnen. Die Unterschiede zwischen rechts- und linksextremistischen Parteien sind vor diesem Hintergrund sekundär. Lang ist sich der definitorischen Schwierigkeiten bewusst und geht ausführlich auf die Kritiker der Extremismustheorie ein.

Von dieser Grundüberlegung ausgehend leitet er drei Kategorien ab, anhand derer der Extremismusgehalt der PDS gemessen werden soll - Ideologie, Strategie und Organisation. Er folgt dabei im Prinzip der in der Politikwissenschaft gebräuchlichen Unterscheidung von Politik- Dimensionen (policy-, politics- und polity -Ebene). Da sich die PDS bekanntermaßen selten als homogene Formation zeigte, sondern sich vielmehr zum Teil heftigen internen Debatten und Grabenkämpfen ausgesetzt sah, erschien es dem Autor sinnvoll, eine weitere Analyseebene einzubeziehen. Darin unterscheidet er jeweils zwischen der Position der “Reformer” sowie dem Standpunkt der “orthodoxen” Kräfte. Schließlich schlägt Lang den Bogen zurück zur Ausgangsfragestellung und vergleicht die Dimensionen Ideologie (Grundwerte-, Demokratie- und Staatsverständnis), Strategie (außerparlamentarische, parlamentarische und Regierungsstrategie) und Organisation jeweils mit den Gegensatzpaaren “Reformer” vs. “Orthodoxe”, demokratisch vs. extremistisch sowie im Hinblick auf das innerparteiliche Gewicht der unterschiedlichen Positionen zusätzlich nach relevant vs. irrelevant.

Die Argumentation erfolgt stets auf Basis der Quellen und wirkt klar und verständlich. Lang sieht vor allem im Grundwerteverständnis prinzipielle Unterschiede zu den Werten eines demokratischen Verfassungsstaates. Lang erkennt hier eine prinzipielle Trennlinie zwischen dem klassischen liberalen und einem wie auch immer zu definierenden sozialistischen Freiheitsbegriff, der auf einem Gesellschaftsbild basiere, das einem identitären Gemeinwesen nahe komme und somit konträr zum pluralistischen Demokratiemodell stehe. Anhand der Analyse des PDS-Verfassungsentwurfes von 1994 zeichnet er deren Staatsverständnis, das im Kern nicht dem eines parlamentarischen Systems entspreche, sondern die notwendige institutionelle Trennung von Staat und Gesellschaft unterlaufe. Die ständige Betonung der außerparlamentarischen Strategie sowie das Selbstverständnis der PDS als Oppositions- und Protestpartei zeugten von einer mangelnden Achtung des demokratischen Verfassungsstaates. (155) Obwohl Lang der PDS auch Ansatzpunkte einer demokratischen Entwicklung bescheinigt, fällt er schließlich ein klares Urteil: Gemäß seinen Kriterien ist die PDS als extremistische Partei zu bewerten. “Eine Strategie, die große Teile der Gesellschaft gegen die ‘gegenwärtigen Verhältnisse’ in Stellung bringen will, fällt zusammen mit einer Ideologie, die nicht auf den Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates basiert, und einer Organisation, die sich Extremisten gegenüber öffnet.” (160)

Es gelingt dem Autor mit Hilfe des Analyserasters, die normative Kritik an der PDS nachvollziehbar empirisch zu begründen. Während allerdings bei Lang - überspitzt formuliert - alle Handlungen der PDS als Teil eines strategischen Masterplans zur Erschütterung der bestehenden Verfassungsordnung erscheinen, wird die Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch der PDS und dem Handlen ihrer Politiker zu wenig Aufmerksmkeit geschenkt. Da wo die PDS in Verantwortung steht, ist eben kein “systemfeindliches Agieren” festzustellen. Diese Ambivalenz ist jedoch ein wichtiges Kriterium im Hinblick auf die Demokratie- und Lernfähigkeit der PDS. Wenn Lang abschließend von den demokratischen Kräften (in erster Linie ist sicher die SPD gemeint) verlangt, der linksextremistischen PDS genauso entschieden entgegenzutreten wie den rechtsextremen Republikanern. dann bleibt fraglich, inwieweit er damit der politischen Realität in Ostdeutschland gerecht wird.

[...] Beide Studien sind trotz der genannten Einwände wichtige und weiterführende Beiträge zur PDS-Forschung und dürften die inhaltliche Auseinandersetzung und die Debatte über den Umgang mit der PDS erheblich beleben.


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