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Manfred Funke: Fingerfertig Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. Juli 2004
Die PDS mauserte sich - Ärger und Verlegenheit der Etablierten steigernd - in dreizehn Jahren zum landespolitischen Machtfaktor. Dabei schärften das Debakel bei der Bundestagswahl 2002 und der jüngste
PDS-Triumph in Thüringen zwei Tendenzen: Erstens emigriert im Osten das Gemüt des Volkes aus der Verfassung. Zweitens ist die PDS selbst, meint der Politikwissenschaftler Jürgen P. Lang, noch nicht in der
Gesellschaft der Bundesrepublik “angekommen”. Will die PDS dies überhaupt? Wenn schon die Erwägung einer Kürzung von Arbeitslosenhilfe für Lothar Bisky “asoziales und einheitsgefährdendes
Verhalten” ist? Hinter dem Patchwork-Sozialismus hochelastischer Eindeutigkeit zwischen radikaler Programmatik und sachorientierter Parlamentsarbeit erkennt Lang als Generalziel der PDS: dem Bekenntnis
zu Demokratie statt Diktatur auszuweichen und den Kampf des Sozialismus gegen den Kapitalismus fingerfertig zu forcieren. Da er für die PDS die Geschäftsgrundlage der bundesdeutschen Gesellschaft sei,
bleibe diese natürliches Übernahmeziel linker Hegemonie und ihres monopolisierten Antifaschismus. Dafür orchestriert die PDS alles, was nützlich scheint. Etwa den Kampf gegen die zu verstaatlichende
Großindustrie bei vorrangiger Förderung des Mittelstandes, die Einvernahme der Reformer und Orthodoxen durch selektierende Distanz zur SED. Über die Kommunistische Plattform wird nach Schicklichkeit das
Segel der Selbstverharmlosung gesetzt. “Totalitär” ist tabu. Mit allem Bösen in der DDR wird Moskaus Sowjetismus belastet. Sahra Wagenknechts Apologien sind schwerlich verwertbar. Wohl aber ihre
telegene Anmutung. Insgesamt wird der Pluralismus des Grundgesetzes so weit bejaht, wie er als Trasse zum Sozialismus brauchbar scheint. Langs Analyse schließt: “Solange Demokratie, Parlamentarismus und
Rechtsstaatlichkeit mit Kapitalismus und Arbeitslosigkeit in einen Topf geworfen werden können, so lange wird es auch die PDS als extremistische Partei geben.” Auf die Originalität seines
extremismustheoretischen Ansatzes tut sich Lang befremdlich viel zugute, wenn er schreibt: “Ein Wert ‘extremistisch’ existiert schließlich -
wenn überhaupt - nicht an sich, sondern eben allein in der Ablehnung der Normen des demokratischen Verfassungsstaates.” Für dessen Erosion braucht die PDS kein klares Programm. Die Fehler der Konkurrenz beim
Auszug ihrer Volksvertreter aus dem Volk bringen bereits den Erfolg.
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