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Gerhard Hirscher Politische Studien H. 394, März/April 2004
Die Arbeit von Jürgen P. Lang ist die gedruckte Fassung seiner Dissertation an der TU Chemnitz und zugleich eine Bilanz: Es handelt sich
also einerseits um einen eigenständigen Forschungsbeitrag auf der Basis breiter Quellenauswertung, aber zugleich um eine umfassende kritische Einordnung vorhandener Ansätze. Erstmals wird hier versucht,
systematisch die wichtigsten wissenschaftlichen Analysen über die PDS zusammenfassend zu bewerten und damit zusätzlich die Frage zu beantworten, ob die PDS eine demokratische Partei sei. Beides gelingt
ihm überzeugend: Zwar ist über die PDS in den Jahren ihres Bestehens sehr viel veröffentlicht worden, aber eine derart konsequente und sorgfältige extremismustheoretische Einordnung der Partei ist bislang
nicht vorgenommen worden.
Der Autor geht nach einem klaren Schema vor: Er stellt den eigentlichen analytischen Kapiteln einen Abschnitt zur Erläuterung seines Vorhabens
sowie einen zur Erklärung seines extremismustheoretischen Bezugsrahmens voran. Dies ist wichtig und keineswegs unnötiger sozialwissenschaftlicher Theorieballast, denn Lang versteht es
überzeugend, sein Analyseraster zu begründen - umso glaubwürdiger werden dadurch die Einzelauswertung und die Folgerungen daraus. Es gelingt ihm auch tatsächlich, die drei Ebenen der normativen,
empirischen und phänomenologischen Analyse im Text gut miteinander zu verbinden. Hierfür untersucht er in drei großen Kapiteln Ideologie, Strategie und Organisation der PDS und berücksichtigt dabei
insbesondere die Positionen von “Orthodoxen” und “Reformern” in der Partei. Dabei wird seine Grundausrichtung deutlich: Schon früher habe es, so Lang, zahlreiche Studien (etwa von ihm selbst oder von Patrick
Moreau) gegeben, die den Schluss zuließen, die PDS sei eine extremistische Partei. Bisher habe aber eine “abwägende Einordnung der gewonnenen Erkenntnisse anhand eines theoretischen Bezugsrahmens”
(S. 37) gefehlt.
Das will der Autor jetzt liefern - und es gelingt ihm auch. Das interessanteste Ergebnis dieses Buches ist dabei, dass dieser
scharfsinnige, kühle Ansatz die problematischen Seiten der PDS oftmals klarer und konturierter hervortreten lässt als manch andere Untersuchung. Jürgen P. Lang hält die PDS deutlicher als viele andere
Wissenschaftler für eine in weiten Teilen extremistische Partei und überschätzt auch keineswegs die Rolle der “Reformer” - wie das in Wissenschaft und den Medien allzu häufig geschieht. Seine Warnung ist
überdeutlich: “Die Auseinandersetzung mit der PDS ist gekennzeichnet von der Ignoranz demokratischer Kräfte gegenüber der extremistischen Orientierung der Partei” (S. 162). Damit wird erneut das grundlegende
Dilemma der PDS deutlich: Überleben kann sie nur im politischen System der Bundesrepublik Deutschland; demokratisieren kann sie sich nur, wie Lang schreibt, durch die Einbindung in den demokratischen
Verfassungsstaat. Genau das wollen aber große Teile der Partei nicht - und dies würde sie wohl überflüssig machen. Vor diesem Hintergrund muss man auch die bisherige Theoriedebatte der Partei sehen, die mehr
von innerparteilicher Taktik als der wirklichen Akzeptanz westlich-demokratischer Verfassungswerte geprägt war. Der Autor hat leider die Ergebnisse des letzten Parteitages mit der Verabschiedung des
neuen Programms nicht mehr einbeziehen können - sein Ergebnis dürfte sicherlich nicht anders ausfallen. Sein Buch setzt einen neuen Bezugsrahmen für die Auseinandersetzung mit der PDS, der von der
künftigen Forschung berücksichtigt werden muss.
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